Ernst Grenachers Opus schlägt darum ein wie eine Bombe: Neu, aktuell, ungemein umfangreich. Erschienen Ende 2015, auf dem neuesten Stand. Was mich dazu veranlasst, etwas detaillierter darüber zu schreiben.
Das Buch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch eine Wucht: Gross, schwer, schnörkellos. Nur das massive Schweizerkreuz sticht hervor. Geliefert wird das Buch in einem recht dicken Kartonschuber. Dankenswerterweise wird auf einen Schutzumschlag aus Papier verzichtet; Die Dinger reissen sowieso früher oder später irgendwo ein. Der Schuber indes hat noch eine andere Aufgabe: Da das Buch so viele Seiten hat und entsprechend schwer ist, hat das Gebinde viel auszuhalten. Der Schuber hält das Buch immer schön gleichmässig geschlossen.Das Inhaltsverzeichnis erstreckt sich über ein halbes Dutzend Seiten, was es abdeckt sollte aber dem Buchtitel zu entnehmen sein. Und das wortwörtlich. Zumal hier alle Gewehre des Schweizer Militärs abgedeckt sind: Vom ersten Stutzer bis zum Stgw90 und alles dazwischen – mit Prototypen, Versuchsmodellen und Ordonnanzversionen sowie deren Varianten. Und einige davon noch nie in einem Buch beschrieben. Die vorsorgliche Kampfwertsteigrung des Stgw57, vor der Einführung des Stgw90, dürfte jedenfalls eher unbekannt sein. Dennoch weist Ernst Grenacher darauf hin, dass es, historisch bedingt, unmöglich ist, sämtliche Versuchsgewehre aufzulisten. Auch sind nur jene Waffen enthalten, die eindeutig dem Ordonnanzwesen zugeordnet werden können.
Glücklicherweise hat mir die Swissbib Basel Bern etwas Arbeit abgenommen und das Inhaltsverzeichnis digitalisiert. Schamlos werde ich es demnach stehlen und für meine Zwecke missbrauchen:
(Vielen Dank Swissbib!)
Die Vorspeise
Beginnt man das Buch so zu lesen, wie es vorgesehen ist (nämlich beginnend bei Seite eins), so wird man als Erstes von Bundesrat und ehemaligem VBS-Chef Ueli Maurer angelächelt, welcher das Vorwort liefert. Danach meldet sich der Militärhistoriker Jürg Meier zu Wort, dessen Ansprache dann eine kurze Biografie Ernst Grenachers selbst und einige Worte zu seiner Sammlung folgen.
Den Abschluss der Einleitung bildet ein Exkurs in die Entwicklung der Hinterladerwaffen, sowohl allgemein als auch bezogen auf die Schweiz sowie eine Kritik am Repetiergewehr 1889 von einem gewissen Hautpmann H. Studer.
Die Hauptgänge
Die Waffen selbst sind chronologisch und nach Typenfamilie gegliedert. Die Übergänge der Familien ist aber bekanntermassen recht fliessend. Sucht man nach einem bestimmten Gewehr, ist man am besten damit beraten, auf die Jahreszahlen zu achten.
Am Anfang jedes «Kapitel» steht jeweils eine Zeitachse, die Entwicklung und Geschichte der thematisierten Waffen teils erstaunlich exakt datiert und aufzeigt. Dies bis weit über den Einsatzzeitraum hinaus; Auch moderne Erkenntnisse fliessen in diese Zeitachse mit ein.
Dieser Chronologie folgt dann die Vorstellung der Waffen. Auf zwei A4-Seiten werden linkerhand die zahlreichen technischen Daten und Anmerkungen aufgeführt, rechts daneben die Waffe in vier Positionen (Profil links sowie rechts, Ober- und Unteransicht) farbig präsentiert. Diese Ansicht ist Standard im Buch und wird konsequent angewandt, was mir persönlich sehr gefällt. Die Fotos sind wie gesagt farbig, hochauflösend und dementsprechend detailliert. Einige Quellen reden davon, dass die Bilder nur vierfarbig sind; Dem kann ich widersprechen. Alle Waffen sind naturgetreu abgebildet. Ausser natürlich, das «vierfarbig» bezieht sich auf das CMYK-Farbmodell.
Die technischen Daten sind recht umfassend, zumindest im Vergleich zu ähnlicher Literatur:
- Waffenbezichnung
- Konstrukteur
- Waffennummer
- Kontrollschlag
- Funktionsprinzip
- Verschluss
- Kaliber & Patrone
- Zündung
- Feuerarten
- Länge der Waffe
- Lauflänge
- Gewicht ungeladen
- Züge & Drall
- Visier
- Korn
- Magazin
- Ladekapazität
- Schaft
- Oberband
- Unterband
- Bajonetthaft
- Zubehör
- Beiwaffe
- Produktion
- Verwendung
- Spezielles
- Sammlung E.G. No.
Dieser wunderbaren Präsentation ist dann eine Seriennummerübersicht angehängt. Naturgemäss ist diese nicht immer vollständig, da im Laufe der Zeit vieles verloren ging, beziehungsweise nicht mehr zurückverfolgt werden kann. Auf das Warum geht Ernst Grenacher in seinem Vorwort ein. Ich gehe aber davon aus, dass dies die vollständigste Liste unter jenen Listen ist, die zur Zeit kursiert.
Ab und an hat es auch Korrekturen zu anderer Fachliteratur – so wird beispielsweise auf das Buch Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1860 – Automatwaffen II und dessen fehlerhaften Informationen eingenangen – inklusive Seitenzahl, wo besagter Fehler liegt. Ein weiteres Beispiel für Ernst Grenachers Akribie.
Aufgelockert wird das Buch mit einigen Werbebildern (alte, nostalgische Werbung von Waffen, Munition und Firmen, keine Sponsorenwerbung oder dergleichen im Buch), Munitionsvorstellungen und Fotos aus vergangenen Tagen.
Das Dessert
Die letzte vorgestellte Waffe auf der Zeitreise ist das Stgw90 in ihrer Ordonnanzversion. Somit wäre der Teil der Waffenvorstellungen abgeschlossen. Das Buch lässt den geschichtlichen Exkurs mit noch mehr Geschichte ausklingen:
Einem Einblick in die Sammelkategorien Schweizerischer Militärwaffen sowie in verschiedene Schweizer Sammlungen, einer Auflistung erwähnenswerten Persönlichkeiten im Zusammenhang mit den Schweizer Hinterladerwaffen und einem Essay über restaurierte und originale Waffen (oder eben nicht – um das Erkennen des Unterschiedes geht es).
Ein Nachwort von Hans Maag und das obligate Quellen- und Literaturvezeichnis belegen die fast letzten Seiten. Interessanterweise endet das Buch mit dem Inhaltsverzeichnis. Eine kuriose Entscheidung, diese Platzierung.
Zumal ältere Schriftwerke, wie beispielsweise die Reihe Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817 (ich brauche eine Abkürzung dafür…BASA?) das Interessensgebiet des Buches Schweizer Militärgewehre Hinterladung 1860-1990 auf mehrere Bände aufteilen. Diese alle zu bekommen, sowohl von der Verfügbarkeit her als auch vom Preis, dürfte wohl teurer, aufwändiger und warscheinlich auch ungenauer sein, als Grenachers Buch zu erwerben.
Um bei der BASA-Reihe zu bleiben: Nötig wären die Bände Handfeuerwaffen System Vetterli, Handfeuerwaffen Gradzug-Systeme, Automatwaffen I und Automatwaffen II Im Hinblick darauf, was für diese Bände verlangt wird, käme man auf mindestens das Doppelte von Grenachers Werk und hat noch nicht einmal alle Informationen dabei, die letzteres bietet.
Günstiger dürfte das Buch zudem kaum werden. Also wäre mein Rat, jetzt zuzuschlagen. Ich habe das Buch als Weihnachtsgeschenk erhalten, erworben wurde es aber bei NaturAktiv, zum gängigen Preis von 250 CHF.
Der Spezialbehandlung nach zu urteilen, die ich diesem Buch beimesse, dürfte klar sein, dass es mir sehr gefällt. Darin kurz stöbern ist kaum möglich, man bleibt überall hängen und will mehr wissen. Meistens kommt man auch auf seine Kosten. Stellenweise würde ich mir jedoch etwas mehr Informationen wünschen, vor Allem was das Stgw57 und besonders das Stgw90 angeht. Wenn der spannendste und detaillierteste Bericht über das Stgw90 von einer Zeitschrift über Spezialeinheiten (K-ISOM) kommt, so wurmt mich das doch etwas. Dem ist jedoch anzufügen, dass wirklich sehr viel über die Prototypen und damit einhergehend über die Entwicklungsgeschichte jener Gewehre geschrieben ist. Es sei Herr Grenacher somit verziehen.Kann man das Buch empfehlen? Unbedingt. Meiner Meinung nach das Standardwerk über Schweizer Militärgewehre (…Hinterladung). Und eine würdige Ablösung der vier oben benannten BASA-Bände.
Aufgefallen sind mir noch einige Tippfehler, was aber bei einer Erstauflage und dermassen viel Text nicht ins Gewicht fallen darf. Und dann kommt noch das mit dem Glashaus und den Steinen hinzu.
Ich bin schon gespannt auf Band 2 und 3! Jene tragen die Arbeitstitel Schweizer Seitengewehre, Eidg. Ordonnanzen 1851-1990 und Schweizer Faustfeuerwaffen Hinterladung 1860-1990. Seitengewehr ist übrigens quasi synonym mit Bajonett, falls sich gerade einige Stirne in Falten gelegt haben.
Pingback: Waffenerwerb in der Schweiz
Hallo Schussfreunde, hallo Sammler.
Ich möchte den Verantwortlichen dieser Seite, zu meiner nächsten Vernissage einladen, habe aber keine Adresse.
Bitte maile mir deine Adresse.
Das nächste Buch erscheint im November und befasst sich mit Bajonetten, Jataganen Weidmesser, Faschinenmesser, Offiziersdolchen und Schlagbändern.
Es umfasst in einem Schuber zwei Bücher mit zusammen ca 1100 Seiten.
Gruss:
Ernst Grenacher
Sie haben Post!
Hallo, ich wollte fragen, ist dein Buch noch irgendwo zu kaufen? Oder ist es noch nicht geplant, das Buch nachzudrucken? Vielen Dank für Ihre Antwort. Jan Tolar, CZ.
Hallo Sammler, Hallo Schussfreude.
Vielen Dank für die Komplimente. Wer würde sich angesichts solcher Schmeicheleien nicht gebauchpimselt fühlen.
Es freut mich dass das Buch bei vielen Sammlern gut ankommt und es dem interessierten Leser gefällt.
Du hast übrigens recht. Das Inhaltsverzeichnis ist nicht optimal und dein Tip, sich nach den Jahrzahlen zu richten ist genau der Richtige.
Ein Inhaltsverzeichnis, mit dem man sofort herausgefunden hätte, auf welchen Seiten welche Gewehre erwähnt oder bechrieben sind
wäre jedoch viel zu Aufwändig geworden und hätte sicher mehr als 30 Seiten beansprucht. Aber ein bisschen besser wird es im nächsten Band werden.
Es hat in dem Buch ausser den paar Tipfehlern auch einige gröbere. Da dieAutomatenwaffen nicht unbedingt mein Spezialgebiet sind, habe ich
zur Bearbeitung dieses Themas einen ehemaligen SIG Mitarbeiter und absoluten Spezialisten als Hilfe beigezogen.
So sehr dieser Herr sich um die neueren Waffen der SIG ( Sturmgewehr 90, Pistole 75 usw verdient gemacht hat).
Ich habe Ihm den ganzen geschriebenen Text zu den Automaten zur Korrektur gegeben und nach einigen Monaten mit vielen Notizen zurückbekommen.
Nachdem wir gemeinsam die Anmerkungen besprochen hatten habe ich Ihm den Text nochmals zugeschickt und er hat mir geantwortet so könne man es laufen lassen.
Nachdem das Buch gedruckt war und ich Ihm ein Exemplar geschenkt hatte, meldete er sich einige Wochen später und meinte, er habe noch einige Sachen gefunden, die man ändern müsste. Er habe eben geglaubt, er bekäme zum Schluss noch ein Exemplar sozusagen als gut zum Druck, dass er dann nochmals durchsehen könnte.
Da waren natürlich die Fehler nicht mehr zu beheben und ich habe deshalb dazu ein Korrekturblatt verfasst.
Wenn Du mir deine Mailadresse sendest, Schicke ich Dir ein solches Korrekturblatt als PDF damit Du es ins Buch legen kannst.
Der Band 2 ist übrigens fertig geschrieben. Er wird im Momant korrigiert.
Da verschiedene seltene Versuchsbajonette die mir bekannt sind einfach nicht erworben werden können,
habe ich mich entschieden im Unterschied zum Band 1 auch einige Exemplare aus anderen Sammlungen
in meinem Buch zu beschreiben und abzubilden. Sofern mir die Eigentümer diese zum Fotografieren überlassen.
Daran arbeite ich zur Zeit und ab Mitte Februar wird der Fotograf für ca. eineinhalb Wochen bei mir zu Hause sein Fotostudio aufbauen
und die verschiedenen Aufnahmen machen.
Mit freundlichen Sammlergrüssen:
Ernst Grenacher
Lieber Ernst
Das Buch ist natürlich super Klasse!
Leider hatte ich noch keine Zeit, das Buch ausgiebig zu lesen. Beim Durchstöbern bin ich noch auf folgende Anpassungen gestossen:
Seite 402, Kadettengewehr KK: Die Waffe hat einen aufgebüchsten Lauf eines K31 (nicht K11): Visier nahe an der Hülse, Visiereinstellung beginnt bei 100 Metern
Seite 454 und 577, Schiessbecher: Das erste Modell war das mit den Flügeln (siehe Reglement von 1944). Das erste Modell passte nur auf den K31. Das zweite Modell (gefederter Mechanismus) kann sowohl auf dem K31 wie auf dem K11 verwendet werden. Siehe auch https://swisswaffen.com/schiessbecher-k11-k31/grau/wtl33egkpjw2
Seite 574: Die Anzahlen der hergestellten ZFK 55 stimmt nicht, eventuell ein Tippfehler.
Seite 596: Ich vermute, dass nur 30 K31 Schnittmodelle hergestellt wurden. Mir sind keine ausserhalb des Bereichs von 519970 und 519999 bekannt.
Seite 658: Ich weiss nicht, ob die Zahl von 40 produzierten Stück stimmen kann. Mir sind Schnittmodelle im Bereich zwischen 5 bis 65 bekannt, wobei Nummer 8 kein Schnittmodell sein soll.
Seite 660: Die LMG 25 mit Sockelschiene für Zf wurden von der KMV seinerzeit als «Festungsversion» verkauft. Ich weiss nicht, ob und wie sich diese Zahl mit den Kavallerieversionen deckt.
Wie schon am Anfang gesagt: ein Super Werk, das in die Geschichte eingehen wird!
Gruss
Tom