Ein Besuch im SIG-Museum

Erstpublikation am: 22.10.2018

Zuletzt geändert am: 17.09.2023

Kategorien: Allgemein, Ein Besuch, SIG

Vorwort

Die Krux mit speziellen Orten in der Nähe ist, dass man es irgendwie doch nur an speziellen Anlässen dorthin schafft. Das SIG-Muesum, gelegen im SIG-Areal ob dem Rheinfall in Neuhausen, ist keine Viertelstunde von meinem Wohnort entfernt und dennoch brauchte es den Abschluss des diesjährigen Jungschützenkurses, um mal dahin zu gelangen. So trafen sich an einem Samstag im Herbst viel Jung und eine handvoll Alt, um die Waffensammlung der SIG unter fachkundiger Führung von Edi Brodbeck, Franz Suter und Josef Hugentobler (der sich eher als «Bärentreiber» sah) zu bestaunen.

Die vielen Bilder ergänzen diesen Bericht mit ihren Überschriften; Bild anklicken und lesen!

Der Abstieg

Der Besichtigung ging eine kurze Einführung in die Geschichte und Wandlung des SIG-Areals voraus, bei welcher Edi Brodbecks Stimme sich wacker gegen den Lärm der Feuerwehrübung, die auf dem Areal stattfand, behauptete. So erfährt man, dass das SIG-Areal heutzutage Büroräume, Arztpraxen und gut 40 KMUs beheimatet, ja sogar einen Kindergarten und Lofts! Alsdann ging es in zwei Gruppen hinunter in die Katakomben und über die Schwelle einer unscheinbaren Stahltüre, die das eigentliche Museum offenbarte.

Klein aber fein ist hier wohl die treffendste Beschreibung; Das Museum besteht aus vier Räumen und dürfte als enge Vierzimmerwohnung durchgehen. Jedoch effizient und dennoch äusserst präsentabel bestückt mit einer Vielzahl an Waffen der vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten. Nicht nur von der SIG selbst, nein, auch Exponate der Konkurrenz reihen sich in den Regalen an Prototypen, Schnittmodelle und Ordonnanzen. Insgesamt gibt es gegen 700 Waffen und eine Menge Teile, Werkzeuge, Instruktionsmodelle und allerlei Material zu bestaunen. Dazu gesellen sich Bilder und Schriften aus vergangenen Tagen der SIG, die aufzeigen, wie es früher einmal war, in der guten alten Zeit.

Vetterliraum

ngefangen hat die Führung für meine Gruppe, geführt von Edi Brodbeck, im so genannten Vetterliraum. Betritt man diesen Raum das erste mal, ist man schon etwas überwältigt ob all den Läufen, die da ins Rauminnere ragen und man fragt sich doch ein wenig, warum der Raum nach Friedrich Vetterli benannt ist, wenn es so viele andere Karabiner, Halbautomaten und Maschinengewehre zu bestaunen gibt!

Edis Ausführungen über die allgemeine Entwicklung in Sachen Ladetechnik, Zündmechanismus und Patronen lauschend erhält man aber bald Klarheit: Friedrich Vetterlis Repetiergewehr war der sprichwörtliche Funke im Pulverfass, der die Entwicklung der Schusswaffentechnik vorantrieb. Weg von Vorderlader, Lunten- und Steinschlossgewehr zum, für damalige Verhältnisse, modernen Repetierer mit Röhrenmagazin – für das späte 19. Jahrhundert wegweisend! So geht es dann schlag auf schlag weiter über den Mondragon-Halbautomaten zu den Schmidt-Rubin Karabinern und schliesslich den Automatenkarabinern der 30er und 40er bis zu den 60er-Jahren hin. Ein Sammelsurium an Exponaten, Prototypen, Exportwaffen und mehr erfreute das Auge während Edis Erzählungen.

Auch ein Laufrohling für das Sturmgewehr 90 samt Negativ, obschon etwas deplatziert wirkend, gibt es zu entdecken.

Automatenraum

Im nächsten Raum, dem Automatenraum, glänzte alsdann so manches Augenpaar eines Jungschützen weit mehr, als noch im «Holzraum», denn hier reihte sich Metall an Metall: Vom ersten Versuch des Sturmgewehr 57 zum modernen Sturmgewehr 90 bietet der Raum alles, was dazwischen lag. Viele Schnittmodelle, viele Abwandlungen und Versuche des Projekts «Ablösung des Stgw57» sowie dessen Konkurrenten und Inspirationen von der Waffenfabrik Bern, der Fabrique National Belgien und von Mikhail Kalashnikov.

Edis Augen leuchteten mit denen der Jungschützen um die Wette, während er uns die Entwicklung der Sturmgewehr 57 näherbrachte und mit spitzbübischem Grinsen erklärte, warum die von der Waffenfabrik Bern ins Rennen um die Ablösung des Stgw57 gebrachte Waffe nicht den gewünschten Erfolg brachte – die der SIG hingegen schon.

Auch die Foltertests des Sturmgewehr 90 schilderte er in Erinnerungen schwelgend und gab auch Antwort auf die Frage, warum das Magazin beim 90er aus Kunststoff besteht und warum man in der Armee nur 20er-Magazine bekommt (Edi selbst hätte auch lieber die 30er gehabt). Das Koppelsystem der Magazine wurde übrigens von Heckler&Koch in Lizenz übernommen. Man lernte auch, wie ein vereister Lauf auf unkonventionelle Weise wieder frei zu kriegen ist…

Gründungsraum

Im Gründungsraum dann, der chronologisch eigentlich am Anfang der Führung stünde, wegen den zwei Gruppen aber anfangs übergangen wurde, lernte man eingehend über die Geschichte der SIG, von der Gründung bishin zum Entscheid, in die industrielle Waffenfertigung einzusteigen. Riesige alte Bücher, handgeschrieben, geben Auskunft über die damaligen Verhältnisse – so war die SIG eine sozial sehr fortschrittliche Firma, ja, sie wäre es sogar heute noch! Das erklärt wohl auch die Loyalität der damaligen Arbeiter, die in heutzutage unmenschlich scheinenden Stundenwochen zu Fuss zu Arbeit erschienen. Jeden Morgen um sechs Uhr läutete die Glocke, um die Gevolkschaft, welche bis vom Klettgau, ja sogar Andelfingen, nach Neuhausen marschiert ist zur Arbeit willkommen zu heissen.

Besagte Bücher wurden übrigens von Josef Hugentloblers Frau vor dem Abfalltod gerettet – achtlos wurden sie eines Tages am Strassendrand des SIG-Areals aufgefunden! Ausgestellt im Raum ist ebenfalls eine Hochgeschwindigkeitskamera aus den 50er-Jahren, mit denen unter anderem Aufnahmen der Verformungen des Kolbens des Stgw57 beim Abfeuern einer Gewehrgranate gemacht wurden.

Pistolenraum

Alsdann tauchte man im letzten Raum in die Welt der Faustfeuerwaffen ein. Der Eingang flankiert von Jubiläumsmodellen zur Linken, und von Hämmerli-Sportpistolen zur Rechten, bietet der Raum auf den ersten Blick nicht mehr als ein paar (Schubladen)Schränke. Einen jener Schränke geöffnet hingegen gibt eine komplette Modellübersicht der SIG-Pistolen preis, angefangen vom Revolver bis zur SIG PRO. Zu fast jeder Pistole fand Edi eine Anekdote. In den Schubladenschränken verbergen sich dann die Prototypen, Schnittmodelle und Entwicklungsschritte der einzelnen Modelle. Und die Schubladen sind tiefer als breit! Ein wahrer Augenschmaus für jeden Pistolenfreund, gibt es doch rund 350 Handfeuerwaffen zu bestaunen. Ebenfalls ausgestellt sind diverse Säbel, Bajonette und Dolche.

Auch erhielt man Antwort auf die Frage, warum denn die P75 immernoch eine Magazinferse besitzt, wo doch schon die 1911er der Amerikaner mit einem Magazinauswurfknopf ausgerüstet war. Lapidar: «Die Armee wollte es so».

Epilog

Nach dem offiziellen Ende der Führung gab es noch einige Begeisterte, die sich kaum von den Exponaten trennen wollten und fast zum verlassen des Museums gedrängt werden mussten. Wer kann es ihnen schon verübeln.

Eine gelungene Führung in ein einzigartiges Museum, voller Geschichte, voller Erzählungen, mit vielen verschiedenen Waffen, die man so sonst nur aus Büchern kennt. Wer es sich einrichten kann, sollte unbedingt eine solche Führung mitmachen, es lohnt sich wirklich!

Weiterführende Links

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Quellenangaben

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